Die Wirtschaft befindet sich wieder im Aufschwung. Doch es gibt ein Problem: Die Container Krise und der Rohstoffmangel in einigen Bereichen bremsen das Wachstum aus. Bei zahlreichen Produkten und Bauteilen sind derzeit Lieferengpässe an der Tagesordnung. Welche Branchen sind besonders betroffen und woher kommt dieser bisher ungekannte Mangel?

Erst Holz und jetzt Halbleiter und Fahrräder

Warten auf Billy

Es begann relativ plötzlich, im Frühjahr 2021. Schreinereien, Zimmereien und Möbelhersteller bemerkten es als erste: Das Rohholz wurde knapp. Wegen stark gestiegener Nachfrage, vor allem in den USA, und Waldbränden und Käferplagen in Kanada, war plötzlich weniger Holz verfügbar. Was auch im IKEA-Regal sichtbar wurde: Billy fehlte. Das beliebte Regal konnte geraume Zeit nicht geliefert werden. Die Lage verschärfte sich, weil die Sägereien durch die stark gestiegene Auftragslage zunächst nicht hinterher kamen, und das Holz zum sägen kurzfristig in andere Länder transportiert werden musste. Die starke Nachfrage und Spekulationen an der Börse trieben die Holzpreise in die Höhe. Kurzfristig stieg der Preis für Holz um etwa 30% an. Für den Bereich Holz sagen Experten nun eine Normalisierung für den Herbst voraus.

Weihnachten ohne Elektronik?

Inzwischen sind andere Waren betroffen: Besonders dramatisch ist die Lage bei Halbleitern und andere elektronische Bauteile. Für Weihnachten könnte es mit der gesamten “weißen Ware”, also der Haushaltsgeräte wie Spülmaschinen, Kühlschränke und Waschmaschinen, knapp bzw. teuer werden. Hier sind viele Metalle, Elektronik und Kunststoffe verbaut, die momentan auf dem Weltmarkt Mangelware sind. Der große Haushaltsgeräte-Herstelle Miele musste inzwischen sogar Beschäftigte in Kurzarbeit schicken, weil Bauteile fehlen. Ebenso stöhnen Autohersteller und Elektronikfachgeschäfte. Die beliebte Playstation 5 und andere Unterhaltungselektronik hat zum Teil sehr lange Lieferzeiten. Kunden sollten also ihre Weihnachtseinkäufe in diesem Jahr mit viel Vorlauf planen.

Schätze in Schuppen und Scheunen

Auch den Fahrradhandel trifft es besonders hart. In der Pandemie entdeckten viele Menschen das Radfahren als Freizeitbeschäftigung für sich. Zusätzlich möchten die Verbraucher zunehmend auf Elektrofahrräder umsteigen. Die Nachfrage ist also groß, aber die Händler warten teilweise immer noch auf Ware, die sie bereits 2020 bestellt haben. Eine Normalisierung des Fahrrad-Marktes wird erst für 2024 erwartet. Das treibt sogar die Preise für Fahrräder und Fahrradteile auf dem Gebrauchtmarkt in die Höhe. Vor allem die Preise für vintage Rennräder und Tourenräder aus den 1970er und 1980er Jahren sind in letzter Zeit deutlich gestiegen. Die aktuellen Lieferengpässe sind vermutlich nicht der alleinige Grund dafür, aber einer von vielen.

Bald wieder keine Nudeln im Regal?

Leere Nudelregale. Was zum Symbol für die Hamsterkäufe zu Beginn der Pandemie wurde, könnte schon bald wieder Realität werden. Handelsverbände warnen ganz konkret vor einem rapiden Preisanstieg bei Nudeln und Teigwaren. Wegen Missernten beim Hartweizen und gestiegenen Lieferkosten könnte das beliebte Produkt knapper und bis zu einem Drittel teurer werden.
Aber es gibt noch eine weitere Schieflage im Supermarktregal: Einige Lebensmittel sind zeitweise nicht in ausreichender Menge lieferbar. Auch spüren die Verbraucher die gestiegenen Preise. Experten sprechen von einer Inflation von knapp 4%. Die höchste Teuerungsrate seit 30 Jahren.

Was sonst noch fehlt

Inzwischen machen sich die Lieferengpässe in sehr vielen Branchen bemerkbar. Fast jedes zweite deutsche Unternehmen ist betroffen. Meistens fehlt es an Vorprodukten. So klagt beispielsweise Bücher Pustet in Regensburg über Lieferschwierigkeiten bei Druckpapier für Bücher. Kunststoff Herstellern fehlt Plastikgranulat und N-TV warnt vor steigenden Energiepreisen, weil Europas Gasspeicher nicht genügend gefüllt seien.

Pandemie und Klimaveränderungen stören globale Lieferketten

Was ist passiert? Warum bleiben einige Regale leer? Warum müssen Firmen ihre Beschäftigten in Kurzarbeit schicken trotz voller Auftragsbücher? Vor allem die Pandemie, aber auch lokale Unwetterereignisse die auf den Klimawandel zurückzuführen sind, stören die globalen Lieferketten empfindlich. In den vergangenen Jahrzehnten optimierten Hersteller ihre Lieferketten, sowohl was die Preise als auch die Lieferzeiten betrifft. Das führte dazu, dass immer mehr Bauteile in anderen Teilen der Welt hergestellt werden. Die Lieferung der Teile erfolgt meist “just in time”, also nicht auf Lager. Das vermeidet Kosten. Nun müssen wir erkennen, dass dieses Lieferketten-System äußerst fragil und störanfällig ist. Was nun zu den aktuellen Lieferengpässen führt, ist eine Verkettung von Umständen.

Produktions- und Lieferverzögerungen durch die Pandemie

Die Pandemie ist vermutlich die größte Ursache für die Lieferengpässe, aber nicht die einzige. Wegen lokaler Corona-Ausbrüche kommt es immer wieder zu Hafenschließungen. Wie im Juni, als der viertgrößte Containerhafen der Welt in China komplett abgeriegelt wurde. Aber auch Produktionsstätten werden wegen Corona immer wieder geschlossen oder teilweise stillgelegt. Das ist auf die restriktive Pandemie-Politik in einigen asiatischen Ländern zurückzuführen. Dadurch geraten die Logistiksysteme aus dem Takt, und alles verzögert sich. Wenn dann noch ein großes Containerschiff für mehrere Tage den Suez-Kanal blockiert, wie im März die Ever Given, ist das Chaos perfekt.
Das allein erklärt aber noch nicht alle Lieferengpässe.

Lieferengpässe und -ausfälle durch Naturereignisse

Durch den Starkregen und die Überschwemmungen im Ahrtal und anderen Gebieten wurde es ganz deutlich: Die Auswirkungen des Klimawandels sind nicht nur katastrophal für die betroffenen Menschen, sie führen auch zusätzlich zu Störungen in den Lieferketten und zu Ausfällen in der Ernte. Schon im Dürrejahr 2019, als der Rhein nicht mehr befahrbar war, bekamen Firmen wie BASF das schmerzhaft zu spüren. Sie mussten auf andere Verkehrswege umsteigen und dafür höhere Kosten in Kauf nehmen. Die jüngsten Überschwemmungen im Ahrtal im Juli 2021 setzten unter anderem zahlreiche Lager und Logistikzentren außer Gefecht. Davon betroffen war beispielsweise auch das Zentrallager des Schulrucksackherstellers “Satch”. Einzelhändler und Fachgeschäfte mussten Schulkinder und ihre Eltern vertrösten, weil “Satch” die neue Kollektion nur mit deutlicher Verspätung liefern konnte. Und das kurz vor Beginn des neuen Schuljahres.
Hinzu kommen die Auswirkungen von zunehmenden Dürren und Überschwemmungen auf die Erne. Ernteausfälle treiben die Preise in die Höhe.
Aber selbst wenn gute Ernten erwartet werden, heißt das noch lange nicht, dass die Lebensmittel rechtzeitig und zu günstigen Preisen in den Regalen ankommen.

Mangel an Arbeitskräften und Transportkapazitäten

Australische Bauern erwarten eine hervorragende Ernte ihres Wintergetreides. Trotzdem schlagen sie Alarm: Ihnen fehlen die Erntehelfer. Verschärfte Einreisebestimmungen durch die Pandemie reduzieren die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte. Aber auch im Logistikbereich fehlt es an Arbeitskräften. Zu Beginn der Pandemie stand alles still. Viele Menschen, vor allem in asiatischen Ländern, sind von den Städten zurück aufs Land zu ihren Familien gezogen. Nun fehlen diese Arbeitskräfte aber. Auch fehlt es an ausreichend Containern. Als die Häfen nahezu still standen wurden zahlreiche Container zum Lagern ins Hinterland gebracht. Von dort müssen sie nun zunächst wieder geholt werden.

Wirtschaft braucht Vertrauen

Experten bezweifeln, dass die Lieferengpässe bald ein Ende haben werden. Möglicherweise erholen sich einzelne Branchen schneller. Für andere wird ein Anhalten der Lage bis mindestens Mitte 2022 vorausgesagt. Aber das Grundproblem wird die deutsche Wirtschaft noch einige Zeit begleiten. Die Ereignisse der vergangenen beiden Jahre haben uns sehr deutlich gezeigt, auf welch wackeligen Füßen unser globales Wirtschaftssystem steht. Da für die Zukunft immer wieder ähnliche Störfaktoren zu erwarten sind, müssen Unternehmen ihre Lieferketten und Strategien überdenken und anpassen. Experten fordern einen Wandel: Weg von einer Geopolitik, hin zu einer Geoökonomie. Einseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten müssten abgebaut werden. Nur wenn Waren, Dienstleistungen und die nötigen finanziellen Mittel beständig verfügbar sind, kann das für eine stabil funktionierende Wirtschaft so wichtige Vertrauen der Konsumenten erhalten bleiben.